Am 16.12.2019 trat die EU-Richtlinie zum Schutz von Hinweisgeber*innen in Kraft. Diese fordert öffentliche und private Unternehmen, Organisationen und Behörden auf, sichere Meldekanäle für Hinweisgeber*innen einzurichten.
Wesentliche Punkte der Vorschrift sind die Einrichtung interner Hinweisgeber*innenkanäle bei Unternehmen mit mehr als 50 Beschäftigten sowie die Unterstützung und Schutzvorkehrungen für Hinweisgeber*innen.
Die Umsetzungsfrist, die EU-Richtlinie in die nationale Ebene zu überführen, lief für die Mitgliedsstaaten am 17.12.2021 ab. Neben anderen Mitgliedsstaaten läuft auch gegen Deutschland ein Vertragsverletzungsverfahren, da die Umsetzung nicht fristgerecht erfolgte.
Am 02.07.2023 trat nun das „Gesetz für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen sowie zur Umsetzung der Richtlinien zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden“ in Kraft.
Die Meldekanäle sammeln unter anderem Hinweise zu Verstößen gegen die EU-Richtlinien und die Europäische Atomgemeinschaft, sowie zu Verstößen, die strafbewehrt oder bußgeldbewehrt sind. Des Weiteren sollen auch Hinweise zu Verstößen gegen die Rechtsvorschriften des Bundes und der Länder an die Hinweisgeber*innenkanäle gemeldet werden.
Bei den bußgeldbewehrten Verstößen muss es sich zudem um die Missachtung einer Vorschrift, die dem Schutz von Leben, Laib, Gesundheit oder dem Schutz der Rechte von Beschäftigten dient, handeln.
Den hinweisgebenden Personen bleibt es beim Übermitteln der Hinweise überlassen, sich an die internen oder externen Hinweisgeber*innenkanäle zu wenden. Hinweise können von der hinweisgebenden Person auch anonym vorgenommen werden. Allerdings sind die internen und externen Kanäle nicht verpflichtet, eine anonyme Option anzubieten.
Wie sieht solch ein Hinweisgeber*innenkanal in der Praxis aus?
Laut der EU-Richtlinie sind vor allem Unternehmen mit mindestens 50 Beschäftigten sowie die unter §12 Abs. 1 und 3 fallenden Unternehmen zur Einrichtung eines internen Hinweisgeber*innenkanals verpflichtet. Für Unternehmen mit mindestens 250 Mitarbeiter*innen gilt das Gesetz unverzüglich, wohingegen Unternehmen unter 250 Mitarbeiter*innen bis zum 17.12.2023 Zeit haben, das Gesetz und die Anforderungen umzusetzen.
Für mehrere private Arbeitgeber*innen mit einer Beschäftigungsanzahl zwischen 50 und 249 besteht die Möglichkeit, einen gemeinsamen Hinweisgeberkanal einzurichten. Zwar nimmt die gemeinsame Meldestelle die einzelnen Hinweise an, so bleibt jedoch die Pflicht, Maßnahmen zu ergreifen und Rückmeldungen zu tätigen, bei den einzelnen Arbeitgeber*innen.
Grundsätzlich können Hinweise sowohl schriftlich als auch telefonisch eingereicht werden, solange eine Dokumentation der telefonischen Hinweise gewährleistet wird. Dokumentation von telefonischen Hinweisen durch Sprachübermittelungen, wie Tonaufzeichnungen, dürfen nur mit Einverständnis der hinweisgebenden Person erfolgen. Falls keine Erlaubnis vorliegt, müssen Inhaltsprotokolle durch die Ansprechperson erstellet werden. Die Tonaufzeichnungen müssen nach dem Erstellen des Protokolls sofort gelöscht werden.
Zudem ist der hinweisgebenden Person die Gelegenheit zu geben, das Protokoll zu überprüfen, zu ändern und zu unterschreiben.
Sollte bei dem internen Hinweisgeberkanal ein Hinweis eingehen, muss innerhalb von sieben Tagen eine Bestätigung an die hinweisgebende Person erfolgen. Darauf folgt eine Prüfung, ob der gemeldete Verstoß in den Anwendungsbereich fällt und ob der Hinweis stichhaltig ist. Liegt ein korrekt gemeldeter Verstoß vor, hat das Unternehmen die Wahl zwischen den folgenden Maßnahmen: Zum einen kann das Unternehmen die Untersuchung selbstständig durchführen und zum anderen kann es den Hinweis an eine andere zuständige Stelle weiterleiten. Zudem kann das Verfahren zwecks weiterer Untersuchungen an eine zuständige Arbeitseinheit oder eine Behörde, wie dem Bundesamt für Justiz, abgegeben werden. Bei Mangel an Beweisen besteht für das Unternehmen zudem die Option, das Verfahren abzuschließen.
Während des gesamten Prozesses muss der Kontakt zur hinweisgebenden Person bestehen, damit gegebenenfalls weitere Informationen eingeholt werden können. Die Rückmeldung an die hinweisgebende Person muss innerhalb von drei Monaten nach Bestätigung des Eingangs des Hinweises erfolgen und sowohl geplante als auch bereits ergriffene Maßnahmen enthalten und begründen. Drei Jahre nach Abschluss des Verfahrens verfällt die Aufbewahrungspflicht der Dokumentation, sodass die entsprechenden Unterlagen gelöscht werden.
Wie werden hinweisgebende Personen geschützt?
Der Schutz der hinweisgebenden Person stellt die größte Herausforderung dar und ist auch der Grund für den Verzug der Gesetzesumsetzung. Interne und externe Hinweisgeber*innenkanäle sind verpflichtet, vertraulich mit den Identitäten der hinweisgebenden Personen und der Personen, die Gegenstand des Hinweises sind, umzugehen. Das Wissen der Identitäten muss auf die zuständigen internen oder externen Stellen beschränkt werden, die unter einer Geheimhaltungspflicht stehen.
Des Weiteren sind Repressalien verboten. Bei Verdacht auf Repressalien muss das Unternehmen nachweisen können, dass die Benachteiligung der hinweisgebenden Person nicht auf dem Hinweis zum Verstoß beruht. Bei einer Missachtung des Verbots von Repressalien folgen eine Schadensersatzpflicht und ein Bußgeld.
Diese Bestrafung folgt ebenfalls bei einem groben fahrlässigen Hinweis oder der Offenlegung unrichtiger Informationen seitens der hinweisgebenden Person.
Was bedeutet das für MARS Mitglieder?
Im Rahmen des MARS-Projektes wurde das Einrichten eines Hinweisgebersystems im Risikomanagementprozess empfohlen. Das Hinweisgebersystem ist bereits fester Bestandteil mehrerer Gesetze zur Erfüllung der Sorgfaltspflichten in der Lieferkette und dient dazu, die Risiken in den Unternehmen der eigenen Lieferkette frühzeitig zu erkennen. Falls gemeinsam mit MARS ein Hinweisgebersystem implementiert wurde, existiert bereits eine Prozessbeschreibung zur Bearbeitung der eingehenden Hinweise. Diese Prozessbeschreibung muss gegebenenfalls auf finale Gesetzesanforderungen bezüglich spezieller Terminierung und Vorgaben angepasst werden. Das definierte Hinweisgeber*innensystem im Risikomanagementsystem hat den Fokus, in der Lieferkette wirksam zu werden, sodass bisher die Kommunikation in die Richtung der Lieferanten im Vordergrund stand. Die Kommunikationswege müssten gegebenenfalls in die interne Richtung nachjustiert werden. Zudem sollte bei der Überprüfung des bestehenden Hinweisgeber*innensystems der Schutz der hinweisgebenden Person im Detail begutachtet und verschärft werden.